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Im Höllenzug durch die Nacht

„Ein relativ zuverlässiges und sicheres Verkehrsmittel […] Wer das Ticket [auf thairailwayticket.com] kauft, hat seinen gewünschten Platz sicher und muss sich nicht auf ein möglicherweise windiges Reisebüro verlassen.“

So steht es jedenfalls im Reiseführer zur thailändischen Eisenbahn.

Doch als wir den fast pünktlichen Nachtzug gegen 22 Uhr betraten, kippte uns die Kinnlade runter:

Voll, voll, voll. Nicht nur die Sitzplätze, sondern auch die Gänge. Für die Neujahrsferien fuhr halb Bangkok zurück in die Heimat. Ein großer Teil der Leute stammt aus dem Nordosten, dem Isarn, und musste daher in dieselbe Richtung wie wir.

Wir klammerten uns an unsere Zugtickets mit den Platzkarten. Aber warum soll es in Thailand anders sein als bei der Deutschen Bahn?

Die Leute auf unseren Plätzen 9 und 10 im ersten Wagen wedelten mit denselben Platzreservierungen. Nach hastiger Orientierung zurück auf dem Bahnsteig versicherte uns ein Bahnmitarbeiter, dass dies der Wagen war und wir einsteigen sollten.

Zugticket mit festem Sitzplatz

Zugticket mit festem Sitzplatz

Unser Zug hatte nur eine 3. Klasse (Holzklasse). Die Vorstellung, die 6-stündige Fahrt durch die Nacht auf dem Fußboden neben unseren Rucksäcken zu sitzen, machte keine gute Laune.

Doch was blieb uns übrig?

Wir ergaben uns unserem Schicksal und dankten den Leuten, die auf dem Fußboden für uns Platz machten. Ich hielt es ganze 30 Minuten aus, dann stellte ich mich hin. Das war bequemer. Wie in der U-Bahn, nur deutlich länger. Oh je, ich war schon jetzt viel zu müde.

Aber wenn ich mir die Leute auf den Sitzplätzen ansah, dann ging es denen nicht viel besser. Ohne Klimaanlage saßen sie vor den geöffneten Fensterluken, mit Mützen und Kaputzen. Ein alter Mann hatte sich ein Handtuch um den Kopf geschlungen, so dass nur ein Auge aus einem Spalt herausspähte. Da konnten Ri und ich sogar wieder lachen. Der Mann hatte die wichtigste Regel für die Reise durch die Galaxis beherzigt:

Reise nie ohne ein Handtuch! (Siehe „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams.)

Nach einer Stunde stoppte der Zug und eine Durchsage schepperte durch die Lautsprecher. Viele Leute setzten sich in Bewegung. Der Thai auf unserem Sitzplatz fragte uns „Nong Khai? Nong Khai?“ Dabei wies er auf einen Zug am gegenüberstehenden Bahnsteig. Das andere Travellerpärchen im Wagen wurde nervös. Aber die Frau wollte nicht aussteigen – verständlich, da sie einen relativ bequemen Platz auf der Treppe hatte.

Ricarda sah einen Bahnmitarbeiter auf dem Bahnsteig, ergriff die Chance und sprang aus dem Wagen. Ich schnappte mir die beiden großen Rucksäcke, um ebenfalls rausspringen zu können – wir durften uns doch nicht verlieren! Der Bahnmitarbeiter, mit dem sie sprach, wedelte mit den Händen:

Wir sollten warten – auf dem Bahnsteig.

Ich stieg aus. Unser Zug nach Nong Khai mit den angeblichen Platzkarten fuhr davon.

Wir stiegen in den „neuen“ Zug, eigentlich in einen sehr, sehr alten Zug. Egal, er war halb leer. Wir konnten uns die Plätze sogar aussuchen. Dann startete der Motor:

Die Sitze brummten; die Stahlwände klapperten; unsere Ohren bluteten. Der Zug war kaputt, würde gleich explodieren – dachten wir. Doch die Thaileute machten es sich bequem und schlossen die Augen.

Alles normal? Alles normal.

Irgendwann setzte sich der Zug dann auch in Bewegung. Auf unseren Handys sahen wir per GPS, dass die Richtung stimmte. Also entspannten wir uns und kramten unsere Ohrstöpsel aus den Rucksäcken, um die nächsten 7 Stunden, die wir durch die Nacht ratterten, zu überstehen.

Aber wir kamen an – gegen 6 Uhr, nur 2 Stunden später als geplant.

Das war sogar ein Vorteil, da wir dann nur noch eine Stunde warten mussten, bis unser Gästehaus öffnete.

Über dem Mekong begann ein neuer Morgen. Hunde spielten am Ufer. Auf der anderen Seite konnten wir Laos sehen. Wir hatten es geschafft und den Höllenzug überlebt.

... und da drüben ist schon Laos.

… und da drüben ist schon Laos.

(Text von Gu, Lektorat von Ri)